Tiefe Müdigkeit und quälende Langeweile: Aber keine Entspannung! - Teil 3
- Paul Wechselberger
- 31. Okt. 2023
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. März
(Immer noch) Donnerstag, 31. Oktober 2019
…Ich bin am Wachwerden und liege auf dem Rücken in einem Bett, welches sich in einem anderen, mir unbekannten Raum befindet, der einige Fenster hat, durch die man ein bisschen in einen Gang sehen kann. Es kommt mir vor, als wäre ich im Bregenzer Krankenhaus, immer noch im Erdgeschoss, aber in einem weiter hinteren Bereich als davor, bei dem der Gang auf einer Seite Fenster hat, durch die man direkt nach draußen sieht. Dieser Gang entstammt aber nur einer Erinnerung, da ich irgendwann mal einen solchen durchquert habe, denn ich kann nicht wirklich sehen, ob es so ein Gang ist. Dann sehe ich meinen Vater mit einem Arzt reden, höre aber nicht genau, worüber. Ich erkenne den Arzt noch von vor vier Jahren, denn im Herbst 2015 war ich eine Woche lang im Krankenhaus in Feldkirch und hatte dort danach auch einige Nachuntersuchungen. Somit weiß ich, dass ich wieder im Feldkircher Krankenhaus bin. (2015 bin ich dort am 30. Oktober entlassen worden, also vier Jahre und einen Tag vor dem „heutigen“ 31. Oktober 2019.)
Halb schlafend denke ich an Sushi, das es am Samstag geben soll, wenn wir mit Verwandten essen gehen. Es ist, als würde ich meinen, übermorgen wieder topfit zu sein. In der Zimmerdecke sind längliche Lampen, die ein sehr künstlich erscheinendes Licht abgeben, das dem Raum einen gelblichen Farbton verleiht. Ziemlich genau über mir befindet sich ein Rauchmelder, der mit einer Nummer und Buchstaben versehen ist. Es ist eines der wenigen Dinge, die ich momentan klar und nüchtern wahrnehme, ohne Unklarheiten oder Hineininterpretieren absurder, abwegiger Gedanken(,die mich besonders die nächsten Tage noch oft in höchstem Ausmaß heimsuchen sollten).
Meine Atmung könnte sich, verglichen mit letzter Nacht oder heute Vormittag, kaum unterschiedlicher anfühlen, denn statt angestrengtem Atmen und dennoch wenig Ertrag muss ich jetzt fast nichts machen, da in fixen Abständen Luft durch Mund und Nase hineingedrückt und wieder „hinausgesaugt“ wird. Langsam bemerke ich, dass das an einer Maske liegt, die an meinem Kopf befestigt ist und meine Gesichtsöffnungen bedeckt. An meinen rissigen Lippen spüre ich einen Lippenbalsam, der ein bisschen so schmeckt, als hätte ich vor kurzem sowas wie einen Schoko-Brownie gegessen. Jetzt ist auch im rechten Arm eine Leitung und eine Krankenschwester nimmt bei meinem Ohrläppchen Blut ab, wofür sie zuerst etwas Heißes um das Ohr legt, sodass sich die Stelle bei der Blutabnahme leicht taub anfühlt. Deshalb spüre ich nur festere Berührungen und es kommt mir vor, als würde man in die Haut schneiden.
Mit der Zeit bemerke ich ein sich langsam verstärkendes Durstgefühl. Glücklicherweise fragt mich eine Krankenschwester, ob ich was trinken möchte, und entfernt die Maske aus meinem Gesicht, um mir durch einen Strohhalm Wasser zu geben. Obwohl ich keine Fenster nach draußen sehe, bemerke ich durch die veränderten Lichtverhältnisse, dass es bereits dunkel sein muss. Es geht mir jetzt gut genug, dass ich ein Atemunterstützungsgerät bekomme, das nur an den Nasenlöchern stark Luft hineinbläst, nicht aber die Atemfrequenz vorgibt. Wenn man gerade nicht einatmet, hört man das Blasen sehr deutlich. Ich fühle mich auch so, als könnte ich heute noch kurz außerhalb des Bettes sitzen, aber die Krankenschwester ist nicht dieser Ansicht, was auch daran liegt, dass sie meine Aussage nicht richtig versteht, da ich nur sage, heute noch „raus“ zu wollen. Sie denkt wohl, ich meine raus aus dem Krankenhaus, wie ich aufgrund ihrer Reaktion annehme.
Mein Vater sitzt neben meinem Krankenbett und da ich mit der Maske, die nur die Nase bedeckt, wieder besser reden kann als zuvor, frage ich ihn, was in der Zeit, von der ich nichts mitbekommen habe, passiert ist. Er erzählt mir, dass mein CO2-Wert im Blut stark erhöht gewesen sei und auch einige Nierenwerte nicht ganz in Ordnung sind, was mit einem Mangel an Kalium und anderer Stoffe zu tun habe. Daher sei ich mit einem Krankenwagen hierhergebracht worden, dem mein Vater mit unserem Auto gefolgt sei. Meine leichte Verwirrung gepaart mit dem jetzt nur schwachen Licht, führt dazu, dass ich die meisten Gegenstände im Zimmer nicht als das identifizieren kann, was sie eigentlich sind und ganz andere Dinge in ihnen sehe. Ein kleiner Gegenstand, der an manchen Stellen abgerundet ist, sieht von der Seite wie ein Entenschnabel aus und an der Wand kleben Aufkleber mit Bauernhofmotiven, da es eine Kinderstation ist. Einer der Aufkleber sieht für mich aus wie Uhrzeiger, nur ohne Uhr, was das Lesen der „vermeintlichen Uhr“ unmöglich macht. Am noch späteren Abend steht mein Vater neben mir, um mir mitzuteilen, dass er jetzt nach Hause gehe. Interessanterweise bleibt er über die Nacht dann doch hier.
Erst Tage später erfuhr ich, warum mein Vater doch bei mir blieb: Er war müde, da er auch schon in den vorigen paar Nächten nur wenig schlafen konnte. Er wollte also nach Hause, da man als Besucher im Krankenhaus keinen richtigen Platz zum Schlafen hat. Als er jedoch sein Vorhaben über WhatsApp an meine Mutter schrieb, antwortete sie umgehend, dass er bitte bei mir bleiben solle, da man mich in dieser Situation doch nicht allein lassen könne.
Freitag, 1. November 2019
Während der Nacht liege ich auf meiner rechten Seite und hinter meinem Rücken sind irgendwelche stützenden Kissen. Mir kommt es aber so vor, als würde ich direkt an eine Wand lehnen, die aus seltsamen Gründen mitten durch den Raum geht und vorher noch nicht da war. Ich bin mehrmals recht lange Zeit wach, da es auch nie ganz dunkel ist, weil meist irgendwo am Gang etwas Licht brennt. Manchmal kommt aus dem „Nasenschlauch“ ein kleiner Wassertropfen, der unangenehm in die Nase rinnt, weshalb ich das Gerät immer wieder aus der Nase ziehe, da ich momentan keine Atembeschwerden spüre, was wohl auch an meiner Müdigkeit und der Verwirrung liegt. Sehr nahe am Zimmer geht immer wieder kurz ein Licht an, wenn jemand dort vorbeigeht. Aus den Geräuschen, die von dort kommen, reimt sich mein Geist zusammen, dass die Leute, die das Licht einschalten, zuerst immer aus einem Lift aussteigen, den ich nicht sehen kann und den es wohl gar nicht gibt. Da beim Nebenzimmer und auch bei meinem immer wieder kurz eine Krankenschwester reinkommt, meine ich, dass es bereits Morgen sein müsste.
Mein Vater, der neben mir die ganze Nacht in einem Sessel ist, den man nur etwas kippen kann, was ich gar nicht richtig bemerke, ist sehr müde. Oben an der Wand, zu der mein Kopf zeigt, scheinen kleine Fenster zu sein, durch die meiner Einbildung nach etwas Tageslicht durchschimmert. Da es nach meinem Empfinden etwa acht Uhr sein dürfte, versuche ich, meinen Vater davon zu überzeugen, dass es jetzt Zeit ist, aufzustehen. Seine Versuche, mir weiszumachen, dass es erst fünf ist, prallen an mir ab und nach langem, unruhigem Betteln holt er immerhin meinen Rollstuhl, der immer noch im Auto ist. Dass es so lange dauert und mein Vater mich nicht aus dem Bett holt, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, denn es kommt mir vor, als wäre gefühlt das gesamte Krankenhaus bereits „auf den Beinen“ außer uns beiden. Eine Krankenschwester, die mitbekommen hat, dass ich aufstehen will, wundert sich darüber und glaubt, es läge an einem akuten, kleinen Hungen und gibt mir irgendein kleines Keks.
Irgendwann werde ich dann ruhiger, da ich so langsam bemerke, dass ich wohl noch länger liegen bleiben werde und die Müdigkeit wieder stärker spürbar ist. Mittlerweile war Schichtwechsel, weshalb die Krankenschwester von gestern Nachmittag wieder da ist. Als ich kurz mal aufwache, liegt mein rechter Arm weiter oben als sonst und da ich nur einen Teil sehe und er eher kühl ist, denke ich zuerst, dass dieser Arm, in dem eine mit einem Verband überdeckte Leitung steckt, nicht mir gehört. Als mein Vater von einem kurzen Telefonat zurückkommt und mir mitteilt, er habe für Montag und Dienstag freigenommen, frage ich mich, ob ich bis dahin überhaupt noch im Krankenhaus sein werde. Immerhin die Absage für die morgige Restaurantreservierung kann ich so langsam nachvollziehen.
Bald darauf liege ich auf dem Rücken und das Geräusch der Nasenmaske klingt, da ich mich gerade im Halbschlaf befinde, wie eine Art Trommelmusik. Dies dauert noch meinem Empfinden nur kurz, dann setzt man mir wieder die Maske auf, mit der ich gestern Nachmittag aufgewacht bin, was ich als angenehm empfinde, da sie die Atmung wieder stark vereinfacht. Beim nächsten Aufwachen ist der Raum viel heller und sieht gefühlt so verändert aus, als wäre es ein anderer. Es gibt Frühstück und mein Vater setzt mich kurz rechts neben dem Bett in meinen Rollstuhl, doch wegen der Luft, die durch die Nase hineingeblasen wird, fällt mir das Trinken schwer und ich esse wieder fast nichts.
Wieder im Bett und mit der Atemmaske über Mund und Nase, kommt durch eine Schiebetür mit großem Fenster, die eine direkte Verbindung zum Nebenzimmer darstellt, ein Physiotherapeut zu mir, der meine einzelnen Körperteile durchbewegt. Die Lageänderungen meines Körpers nehme ich ziemlich verstärkt wahr, sodass es sich so anfühlt, als würde man den ganzen Körper drehen und auf der gesamten Fläche des Bettes “umherwandern“ lassen. Bald danach schlafe ich ein und beim Aufwachen habe ich etwas Kopfweh, wie, wenn man sehr tief geschlafen hat und noch immer müde ist. Dieser Schlaf dauerte nicht besonders lange, auch wenn es sich momentan so anfühlt.
Im Laufe des heutigen Tages soll bei meinem Bett die Matratze getauscht werden, den Grund dafür bekomme ich aber nicht richtig mit. Außerdem teilt mein Vater mir mit, dass gegen Nachmittag meine Mutter kommen werde. Da mir mein tatsächlicher Zustand gerade nicht genau bewusst ist, stelle ich mir vor, dass ich dann vielleicht wieder mal außerhalb des Bettes sitzen und das Zimmer möglicherweise sogar kurz verlassen kann. Als sie dann da ist, wird mir immer klarer, dass daraus wohl nichts wird. Erst durch eine Unterhaltung meiner Eltern wird mir klar, dass der Raum, in dem ich seit gestern liege, zur Intensivstation gehört. Während meine Eltern gerade am Mittagessen sind, liege ich daneben und niemand fragt mich, ob ich Hunger habe, sodass ich mir fast etwas ignoriert vorkomme. Allerdings will ich jetzt sowieso nichts essen. Von draußen ertönen Regengeräusche und die dazu passende Bewölkung zeigt sich dadurch, dass es im Zimmer deutlich dunkler ist.
Kaum hat sich mein Vater auf den Weg nach Hause gemacht, ist die neue Matratze „bereit“ und um sie in mein Bett zu bekommen, muss man mich kurz hinaussetzen. Wäre es ein paar Minuten früher gewesen, hätte mein Vater dabei helfen können. Somit helfen mehrere Personen mit, da auch jemand die Kabel halten muss, mit denen ich verbunden bin. Mich selbst heben mehrere Leute in den Rollstuhl und halten mich dann an einigen Stellen, da ich im Moment nicht ordentlich angegurtet bin, was nicht angenehm ist, da mein Oberkörper zu weit vorgebeugt ist und dadurch zusätzlich noch mehr Gewicht auf meine Oberschenkel drückt. Das fühle ich vor allem knapp oberhalb des linken Knies und kurz bevor man mich wieder zurück ins Bett legt, wird aus dem Druck plötzlich ein starker Schmerz, der besonders außen spürbar ist. Einen ähnlichen Schmerz habe ich bereits vor drei Monaten an der gleichen Stelle gespürt, nachdem das Knie aus Versehen überdehnt wurde. Die nächsten Tage rief jede Bewegung in der Nähe des Knies einen intensiven Schmerz hervor.
Die jetzige Verletzung scheint ähnlich zu sein, da ich bei jeder Bewegung des Beines auch Derartiges fühle. Beim Liegen im Bett ist irgendetwas anders als zuvor, ich kann mir jedoch nicht erklären, was, doch während ich die vorherigen Stunden recht ruhig und angenehm liegen konnte, scheint jetzt etwas mit meiner Positionierung nicht richtig zu stimmen. Irgendwie bin ich auch viel weiter unten im Bett und würde lieber wieder mal auf der Seite liegen wie gestern, doch das scheint nicht möglich zu sein, da die Matratze auch viel zu sehr nachgibt. Somit sehen die nächsten Stunden so aus, dass weder ich noch meine Mutter oder die anwesende Krankenschwester wissen, welche Position angenehm für mich sein könnte, weshalb es bei kleinen, recht unwirksamen Änderungen bleibt.
Die Matratze ist deswegen so nachgiebig, weil sie empfindliche Luftkammern hat, die sich der Form und dem Gewicht des Körpers anpassen. Sie wird oft auf Intensivstationen verwendet, wo Leute lange am Stück liegen, und soll dafür sorgen, dass man keine Druckstellen bekommt und nicht wundliegt.
Da ich etwas Wasser trinken möchte, nimmt man mir kurz die Maske ab. Aufgrund des Schleims geht das Schlucken sehr langsam und es ist noch ein bisschen Wasser im Mund, als die Maske wieder aufgesetzt wird. Mit dem Einatemdruck, der alle paar Sekunden einsetzt, ist es noch schwieriger und ich brauche noch länger, den Rest hinunterzuschlucken. Mit Müh und Not schaffe ich es, mich dabei nicht zu verschlucken.
Mittlerweile ist es Abend geworden, im Zimmer brennt noch ein recht helles Licht und ich befinde mich gerade in einer Phase, die sich so anfühlt, als würde sie immer wieder zwischen Tagträumen, richtigem Träumen und Wachliegen schwanken. In jedem dieser drei „Bewusstseinszustände“ nehme ich den wechselnden Druck der Maske und deren Geräusche wahr, sowie die Bewegungen der Matratze, die auch einen eigenen Klang erzeugen. Mein Gehirn verarbeitet diese Eindrücke jedoch sehr unterschiedlich: Während ich im Traum langsam wenige Meter über der Erdoberfläche schwebe und etwas die Richtung steuern kann, da ich an einem kleinen Fallschirm oder Ballon dranhänge, weiß ich in den anderen Zuständen, dass die Bewegungen von der Matratze kommen. Allerdings nehme ich diese sehr verstärkt wahr, sodass es sich manchmal so anfühlt, als gäbe es immer wieder kleine „Löcher“ und mir ist nicht ganz klar, warum sich die Matratze so seltsam verhält. In der Halbschlafphase liege ich meist mit geschlossenen Augen und habe doch das Gefühl, nicht nur das Zimmer zu sehen, sondern auch noch irgendetwas nicht ganz Zuordenbares in einem Bildschirm, der nicht existiert.
Samstag, 2. November 2019
Auch heute bin ich einen großen Teil der zweiten Nachthälfte wach und empfinde die ständigen, automatisch erzeugten, starken Atemzüge als etwas störend. Es kommt mir so vor, als kämen pro zweimal Ausatmen immer vier Einatemzüge, da ich es gerade nicht hinbekomme, beim Zählen einen Hauch von Logik zu bewahren. Mir ist nicht nur gerade sehr langweilig, sondern mein Hals fühlt sich, auch bedingt durch den Schleim, etwa so angenehm an, wie wenn einem extrem trockene, harte und fast schon staubige Brotkrümel hängen bleiben. Obwohl ich mich nach einem Schluck Wasser sehnen würde, mache ich mich nicht bemerkbar. Nach einer Weile fällt mir im Nebenzimmer ein eingeschaltetes Licht auf und da es durch jene Tür scheint, durch die am Tag der Physiotherapeut gekommen ist, erscheint es mir plausibel, dass sich dort ein Physiotherapiestudio befindet und jetzt bereits die ersten Leute ihren Termin haben. Dadurch bekomme ich die falsche Hoffnung, dass die Nacht vorbei ist und bald auch bei irgendetwas „passieren“ wird, was die unerträgliche Monotonie unterbrechen würde. Leider sind dadurch die Enttäuschung und das Unverständnis, dass nichts passiert, nur noch größer.
Gegen Ende der Nacht werde ich wieder schläfriger, was auch seinen Teil zu weiteren ziemlich verzerrten Wahrnehmungen beiträgt. Obwohl sich die einzelnen Kammern der Matratze nur recht leicht verändern, fühlt es sich für mich so an, als gäbe es so riesige Lücken, dass ich bald mit vielen Körperteilen in der Luft hänge und versuche, nicht hindurchzufallen. Außerdem komme ich mir vor wie in einem Zugabteil, in dem der Sitz vor mir und auch mein eigener fast in einer Liegeposition eingestellt sind. Das Bett ist der Zug, der irgendwie zu fahren scheint. Später, als mir wieder bewusst ist, dass ich in einem Bett liege, aus dem man nicht einfach nach unten durchfallen kann, gibt es meinerseits die Fehlannahme, in diesem Zimmer befänden sich insgesamt etwa sechs Leute. In echt gibt es nur links von mir ein lehrstehendes Bett und rechts liegt meine Mutter in dem zurückgelehnten Sessel. Ich glaube aber, dass es vier Betten sind. Auf einem Stuhl liegen mehrere grau-braune Decken, die für mich ähnlich aussehen, wie zwei sich umarmende Menschen, weshalb ich mich frage, ob diese Decken mit Absicht so hingelegt wurden oder ob es sich um echte Menschen handelt.
Da von den verschiedenen medizinischen Geräten immer wieder Geräusche und Signale ertönen, kommt eine Frau her, die meiner Meinung nach etwas anders gekleidet ist als die Krankenschwestern, weshalb ich sie nicht als solche identifizieren kann. Sie versucht, die „Alarme“ wieder abzustellen. In meinen Kopf ist sie eine der sechs Personen im Zimmer und fühlt sich von den Geräuschen so gestört, dass sie das Problem selbst in die Hand nimmt, obwohl sie hier gar nicht arbeitet. Auch als das Frühstück gebracht wird - logischerweise auf zwei Tabletts für zwei Personen - sieht es für mich nach so viel aus, dass vielleicht fünf Personen davon essen könnten. Ich werde gefragt, ob ich mal wieder in meinem Rollstuhl sitzen möchte. Da mein linkes Knie nach wie vor auf jede kleine Bewegung empfindlich reagiert, erfordert das Hinaussetzen wieder mehrere Personen, wobei eine das Bein stabilisiert. Ich trinke im Sitzen etwas Wasser, doch jeder Schluck braucht eine gewisse Vorlaufzeit: Aufgrund der erheblichen Schleimmenge im Hals, die momentan bei jedem Atemzug hörbar ist, muss davor etwas abgesaugt werden. Dann brauche ich wieder einige Sekunden die Atemmaske und kann erst danach einen Schluck nehmen. Zum Essen komme ich jedoch nicht.
Ich bin wieder im Bett, als ausprobiert wird, ob mir wieder die reine Nasenmaske zum Atmen reicht, doch nach kurzer Zeit wird der Versuch erfolglos beendet. Im Laufe des Vormittags kommt eine Physiotherapeutin, die unter anderem meinen Brustkorb „bewegt“, damit sich etwas Schleim lösen kann. Da sie sehr gesprächig ist, unterhält sie sich währenddessen mit meiner Mutter, die zufällig auf unsere momentane Physiotherapeutin zu sprechen kommt, bei welcher mein Bruder und ich seit drei Jahren in Behandlung sind. Eigentlich soll sie uns im Rahmen des Übergangs zum Erwachsenbereich an Kollegen übergeben, doch wir sind generell nicht so zufrieden mit der „Herangehensweise“ dieser Organisation. Die jetzt anwesende Therapeutin hat die Idee, ihrer Kollegin - eine andere Physiotherapeutin, die ebenfalls in diesem Krankenhaus arbeitet – davon zu erzählen, da diese uns vielleicht jemand anderen vermitteln könnte.
Etwas später muss jemand für mein Atemgerät irgendwo den Sauerstofftank auffüllen. Ich bekomme es nicht so genau mit und fühle neben mir ein sehr weiches Kissen, fast wie ein Ballon, welches ich seltsamerweise für besagten Sauerstofftank halte. Außerdem meine ich, der „Tank“ müsse tiefer liegen als mein Mund, da der Sauerstoff nach oben steige. Zumindest so ähnliche Gedanken kommen mir. Ebenso verhält es sich, als man mir aus meiner Leitung im Arm Blut abnimmt, denn es kommt mir zum Beispiel vor, als würde die Krankenschwester versuchen, einen Teil wieder zurück in meine Blutbahn hineinzuspritzen.
Da ich mich ziemlich müde fühle, verbringe ich mehr oder weniger den gesamten restlichen Tag schlafend. Erst gegen Abend, als es langsam dunkel wird, habe ich eine kurze Wachphase, während der ich pinkeln muss. Nachdem ich fertig bin, fällt mir mit leichtem Schrecken auf, dass mein Urin, der sich in der Harnflasche befindet, einen kräftigen Orangefarbton hat. Im darauffolgenden Zeitraum, den ich meist mit geschlossenen Augen und mindestens „halbschlafend“ verbringe, kommt es mir mal wieder vor, als würde ich irgendwas machen und in einem Bildschirm Dinge anschauen.
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