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Rückblick auf 2023 und auf die Entstehung meines Blogs

  • Autorenbild: Paul Wechselberger
    Paul Wechselberger
  • 31. Dez. 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Mai

Knappe eineinhalb Jahre vor Veröffentlichung der ersten paar Beiträge auf diesem Blog habe ich bereits begonnen, Texte in dieser Art zu schreiben, einfach für mich selbst. In der Familie hatten wir schon seit mehreren Jahren gescherzt, dass wir mit diversen Assistenten, Betreuern und sonstigen Personen bereits so viel schräges Zeug erlebt haben, dass man darüber ein ganzes Buch schreiben könnte. Im Sommer 2021 dachte ich mir schließlich: Jetzt fang ich einfach mit einer Person an, die besonders viel hergibt! Es mündete in der hochamüsanten Geschichte „Osman, der alles hat und alles kann“, die aus über 3000 Wörtern besteht.  

 

Als ich mit diesem ersten Text anfing, war in meinem Hinterkopf zwar schon die Idee, unsere Erlebnisse später in einem Internetblog zu veröffentlichen, aber es dauerte noch seine gute Zeit, bis ich mich dazu aufraffen und überwinden konnte. Dafür hatte ich bis dahin mehrere fast fertige Texte in der Hinterhand, sowie mehrere angefangene und Ideen für weitere Geschichten.

 

Erstellt habe ich den Blog dann um Weihnachten 2022, am Ende eines Jahres, das – besonders mit Blick auf die Vorjahre – für mich eines der besten seit Längerem war. Ganz am Anfang wurde ich immer vertrauter mit der Musik von „Bon Iver“ und konnte mich an das Atemgerät für die Nacht gewöhnen, mit dem ich mich beim Aufwachen besser fühlte als ohne. Über das Jahr hinweg kam ich mit meinem Studium ordentlich voran und mein Lieblingsclub FC Barcelona spielte nach mitunter durchwachsenen Jahren wieder mehr schönen, attraktiven Fußball.

 

Das klingt doch schon sehr gut, aber es kam noch viel besser: Nachdem ich mich immer mehr für „Bon Iver“ interessierte und in YouTube alles Mögliche dazu suchte, fasste ich den Entschluss, auf eines ihrer Konzerte gehen zu wollen. Glücklicherweise wurde aus dem Wunsch Realität und mein Vater unternahm mit mir die Zugreise nach Berlin. Nicht nur das ganze Erlebnis selbst – vor allem das Konzert – war sehr besonders, sondern ich gewann daraus auch eine wertvolle Erkenntnis: Nach mehreren Jahren, in denen ich fast nie außer Haus geschlafen hatte, war es gut zu wissen, dass kurze Reisen für mich immer noch möglich sind. Im Sommer war ich auch zum ersten Mal seit vier Jahren wieder im Freibad gewesen. Zu wissen, dass auch das noch möglich ist, wenn einfach die nötigen Adaptionen vorgenommen werden, machte mich ebenfalls glücklich. Eine Woche vor Weihnachten gab es noch ein weiteres Highlight, denn Messi gewann mit Argentinien tatsächlich die Fußballweltmeisterschaft. Seit 2014, als ich Fußballfan geworden war und Argentinien das Finale gegen Deutschland knapp verloren hatte, ärgerte ich mich regelmäßig über diese Niederlage und wünschte mir, dass Messi doch noch Weltmeister wird. Nach achteinhalb Jahren des Wartens, in denen ich zwischenzeitlich eher wenig Hoffnung hatte, war meine Freude natürlich gewaltig.

 

2023 verlief Im Vergleich dazu eher mittelmäßig, mit Höhen und Tiefen gleichermaßen. Während der ersten Jahreshälfte trug ich stets ein kleines bisschen Vorfreude auf das nächste „Bon Iver“-Konzert in mir, und zwar zurecht: Das Konzerterlebnis am 15. Juni empfand ich noch viel schöner als das aus dem letzten Jahr, sodass dieser Abend wohl der Höhepunkt meines gesamten Jahres war. Dass bis jetzt keine neuen Konzerttermine - geschweige denn in meiner Nähe – feststehen und die Band momentan auf unbestimmte Zeit pausiert, betrübt mich etwas. Da hat man einmal etwas Neues, unglaublich Gutes gefunden, von dem man denkt „Das könnte ich immer wieder tun“, und dann ist es nicht mehr erreichbar. Allerdings versuche ich, optimistisch zu bleiben und hoffe, dass ich in ein, zwei Jahren ein drittes Mal „Bon Iver“ live erleben darf. So, wie meine Begeisterung für viele ihrer live gespielten Songs in den letzten Monaten weiterhin gewachsen ist, wäre es gut möglich, dass ich ein weiteres Konzert noch besser finden werde als die ersten beiden.

 

Als Fan des FC Barcelona erlebte ich von Spiel zu Spiel ein Auf und Ab. Zwar wurden sie zum ersten Mal seit vier Jahren spanischer Meister, aber viele Spiele waren wenig glanzvoll, sondern eher eine Zitterpartie, außerdem lief es in den anderen Wettbewerben nicht ganz so gut. Gerade in den letzten Monaten waren einige enttäuschende Spiele dabei, aber immerhin hat sich Barcelona nach drei Jahren endlich wieder mal für das Achtelfinale der Champions League qualifiziert.

 

Auch diesen Sommer habe es gegen Ende geschafft, einmal baden zu gehen. Um die gleiche Zeit herum habe ich eines meiner Alltagsprobleme kreativ gelöst, denn wenn ich davor in meinem Rollstuhl sitzend pinkeln wollte, musste man mich dafür etwas nach vorne rücken, damit ich die Harnflasche benutzen konnte, wobei ich weniger Halt hatte. Deshalb musste man komplizierte Vorbereitungen treffen, aber dennoch war das vorgerückte Sitzen sehr unangenehm und wurde zunehmend stressiger, da immer wieder manches schieflaufen konnte. Die Sorgen bin ich jetzt los, denn im August habe ich eine bahnbrechende Erfindung realisiert: Ein eigens dafür „gebastelter“ Kanister, mit dem ich das kleine Geschäft verrichten kann, während ich im Rollstuhl bequem nach hinten geneigt liege. Das Geheimnis dabei ist, dass sich in dieser Position unter meinem Becken ein kleiner Spalt befindet, wodurch ich auf dem kleinen Kanister quasi „draufsitzen“ kann. Weitere Details erspare ich euch hier aber!

 

Während ich zu Beginn des Jahres im Studium weiterhin gut vorankam, ging es ab der zweiten Jahreshälfte nicht mehr so richtig vorwärts, da ich immer wieder Motivation und Interesse daran verlor. Im November wechselte ich schließlich zu einem Journalismusstudium, da das besser zu meiner Leidenschaft für das Schreiben passt. Wechsel gab es auch bei manchen unserer Assistenten, wie eigentlich in jedem Jahr. Neue sind dazugekommen, mache haben aufgehört und auf einzelne Personen trifft sogar beides zu.

 

Eine Konstante war mein Blog, auf dem ich das ganze Jahr über meine Gedanken und Erinnerungen sowie schräge, ungewöhnliche, ärgerliche, schlechte, aber auch lustige, authentische und gute Eigenschaften und Verhaltensweisen anderer Menschen mit euch geteilt habe. Ziemlich schnell fing ich an, im Zweiwochenrhythmus einen neuen Beitrag zu veröffentlichen, was ich über weite Teile des Jahres auch durchzog. Manchmal nahm ich mir etwas mehr Auszeit zwischen zwei Texten, aber dafür gab es im Herbst viel mehr innerhalb kurzer Zeit.

 

Das Schreiben der Beiträge ist für mich eine sehr erfüllende Freizeitbeschäftigung, denn es bereitet mir viel Freude und hat auch eine gewisse therapeutische Wirkung. Manche Geschehnisse haben mich belastet oder belasten mich immer noch, doch sie aufzuschreiben und dabei oft humorvoll zu verpacken, hilft mir enorm. Auch werde ich dadurch dazu gebracht, genauer über mich, meine Vergangenheit, meine Sorgen und Ängste sowie Freuden und Wünsche nachzudenken, denn ich muss sie für die Texte in Worte fassen. Damit bringe ich nicht nur euch Lesern einen Teil meines (Innen)Lebens näher, sondern lerne mich auch selbst noch besser kennen, indem ich beispielsweise Unangenehmes oder Unbequemes, das sonst gerne verdrängt werden würde, wieder aufgreife und reflektiere, da es manchmal wichtig für den Kontext einer Geschichte ist.

 

Es dürfte nicht überraschen, dass die in neun Abschnitte unterteilte Geschichte rund um meinen Aufenthalt auf der Intensivstation, der sich vor vier Jahren ereignet hat, bisher das mit Abstand Persönlichste, aber auch Vulnerabelste ist, was ich je zu Text verarbeitet habe. Dabei war mir sehr wichtig, alles genau so zu beschreiben, wie es passiert ist und wie ich es in diesem Moment wahrgenommen habe. Das war für mich bereits klar, als ich im September 2021 begonnen habe, dieses Erlebnis aufzuschreiben, weshalb mir die Tagebuchform - kombiniert mit der Verwendung des Präsens - schon damals besonders geeignet vorkam. Ich wusste während der darauffolgenden zwei Jahre immer, dass ich es später veröffentlichen möchte. Idealerweise dann, wenn sich das Ereignis jährt, wie es dann ja tatsächlich in diesem Herbst anlässlich eines vierjährigen „Jubiläums“ passiert ist.

 

Warum ich unbedingt darüber schreiben wollte: Es war für mich das bisher Schwierigste, was ich jemals überstehen musste. Viele Erinnerungen an einzelne Momente schwirrten besonders in den Monaten danach immer wieder in meinem Kopf herum und auch, als das mit der Zeit weniger wurde, ruhte tief in mir dennoch das Bedürfnis, mir alles von der Seele zu schreiben. Auch stellte dieser Krankenhausaufenthalt in meinem Leben eine Art Zäsur dar, denn danach haben sich eine Menge Dinge geändert. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich im Nachhinein stark davon profitiert habe, auch wenn an dem schlimmen Atemwegsinfekt an sich nichts positiv war. Ich hatte also auch das Ziel, für mich und meine Leser darzustellen, wie eine Krisensituation etwas hervorbringen kann, was sogar noch besser ist als das, was davor war: Damit meine ich nicht nur die zufälligen Dinge, wie, dass wir dadurch an einen sehr guten Physiotherapeuten vermittelt werden konnten, oder dass ich dazu gezwungen war, den Patientenhebelift anzuwenden, der sich für mich schnell als enorme Erleichterung entpuppte. Sondern ich meine auch mein generelles Wohlbefinden, denn zum einen ging es mir gesundheitlich bald wieder so gut wie vorher, zum anderen war ich in den Wochen und vielleicht auch Monaten danach ganz allgemein positiver gestimmt und fühlte mich selbst in banalen Alltagssituationen etwas glücklicher. Wenn ich heute an die letzten eineinhalb Monate des Jahres 2019 denke, bekomme ich noch immer ein ganz spezielles Gefühl, welches unter anderem viel Wärme enthält! Vielleicht sind diese Erinnerungen auch deswegen so positiv, weil sich das normale Leben viel intensiver und erfrischender anfühlt, wenn man davor zwei Wochen lang so gut wie gar nichts tun konnte.  

 

Auch 2024 möchte ich weiterhin fleißig meinen Blog betreiben. Ich verspreche euch abwechslungsreiche Inhalte, denn möglicherweise gibt es auch den ein oder anderen positiven Text über manche anderen Personen. Mit Sicherheit werde ich weitere Geschichten über vergangene Ereignisse aus meinem Leben erzählen. Außerdem möchte ich auch mal etwas darüber schreiben, wie und was ich über die Welt und das Leben allgemein denke, wobei es vielleicht ein bisschen philosophisch werden könnte. Mit dieser „Vorschau“ beende ich den letzten Beitrag des alten Jahres.  


Euch allen wünsche ich ein gutes Jahr 2024!

3 Comments

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Guest
Jan 24, 2024
Rated 5 out of 5 stars.

Wow! Bin schwer beeindruckt von deinen literarischen Ergüssen. Was du schreibst ist wirklich interessant und berührend, und ich mag auch deinen Sprachwitz, der immer wieder zum Vorschein kommt. Ich kann gut nachvollziehen, dass das Schreiben dir beim Reflektieren und Verarbeiten deiner Erlebnisse hilft, geht mir auch so, auch wenn ich selbst oft zu faul zum Schreiben bin. Man wird sich durch das Schreiben vieler Emotionen und Gedanken erst so richtig bewusst und kann sie besser einordnen. Keep on writing! 😁

CU, Bea

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Guest
Jan 01, 2024

Es ist mir eine Freude diese lebendigen Bloggeschichten zu lesen und auf die philosophischen Betrachtungen bin ich besonders gespannt.


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Guest
Dec 31, 2023

Sehr schön geschrieben Paul!

Guten Rutsch ins Neue Jahr und viel Erfolg im Studium und weiter Saß am Schreiben und Leben!

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