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Ein Kind lacht mich aus (und 17 weitere Ereignisse)

  • Autorenbild: Paul Wechselberger
    Paul Wechselberger
  • 30. Aug.
  • 9 Min. Lesezeit

Im heutigen Text zeige ich euch hauptsächlich kreative Zitate von unterschiedlichsten Leuten, die mir bisher begegnet sind, und erkläre den Kontext, in dem sie gefallen sind. Viele sind lustig, manche seltsam und das eine oder andere könnte auch als beleidigend aufgefasst werden. Wenn man ständig unterschiedliche Assistenz- und Pflegepersonen in der Nähe hat, hört man eben zwangsläufig viele interessante Aussprüche!


Von einem Kind ausgelacht

Die erste Geschichte enthält zwar nicht wirklich ein Zitat, doch weil ich das Ereignis recht amüsant finde, erwähne ich es trotzdem. Was ist passiert? Ein Kind hat mich ausgelacht! Es begab sich vor einem Monat, als ich am Abend mit meinem Vater draußen Richtung See unterwegs war. Seit diesem Sommer ist mein Kopf immer an der Kopfstütze meines Rollstuhls fixiert, wenn ich im Freien unterwegs bin. Das liegt daran, dass bereits die kleinsten Unebenheiten im Boden meinen Kopf zum unkontrollierten „Tanzen“ bringen, wenn ich mit bis zu 10,5 km/h darüberfahre.


Wie bei vielen Dingen in meinem Alltag, wählte ich auch für die Kopfbefestigung eine unkonventionelle Lösung: Ich nahm das Band einer alten Maske für das Beatmungsgerät, das ich nachts benutze. Mein Gedanke: Wenn man die Maske mit diesem Band an meinem Kopf fixieren kann, dann ist es vielleicht auch möglich, die Maske zu entfernen und das Band stattdessen dazu zu benutzen, meinen Kopf an der Kopfstütze zu befestigen. Es funktioniert! Allerdings ist die Handhabung kompliziert und die Bänder an meinem Kopf sehen etwas skurril aus. (siehe Titelbild) Deshalb habe ich mir jetzt eine richtige Kopffixierung bestellt, die auf diese Funktion ausgerichtet ist und auch besser aussieht.


Zurück zur eigentlichen Geschichte: Wir waren erst wenige hundert Meter von zu Hause entfernt, als eine Familie an uns vorbeilief. Es waren zwei Kinder im Volksschulalter dabei. Das jüngere der beiden Kinder sah mich, zeigte mit ausgestrecktem Arm ziemlich genau in Richtung meines Kopfes und fing an, lauthals loszulachen. Den Eltern musste diese Situation wohl unglaublich unangenehm gewesen sein und sie machten dem Kind sogleich klar, dass dieses Verhalten nicht sehr nett sei. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es die improvisierte Kopffixierung war, welche dem Kind ins Auge fiel und zu diesem unvermeidbaren Lacher führte. Ich bin dem Kind nicht böse, denn ich weiß ja selbst, dass ich mit diesem Band seltsam und überaus lustig aussehe. Ich hoffe jedenfalls, dass dieses Band der Grund für den Lacher war und nicht mein generelles Erscheinungsbild. Wer weiß, vielleicht hat dieses Kind auch einfach Freude daran, Rollstuhlfahrer auszulachen! Davon gehe ich jedoch nicht aus, denn ich glaube (manchmal) an das Gute im Menschen.


Später am See fuhr ich an einer erwachsenen Person vorbei und hörte, wie sie leise zu sich sagte: „Der Arme!“ In diesem Moment dachte ich mir: Lieber ein Kind, das von meinem Anblick erheitert wird, als ein Erwachsener, der meinen Anblick als tragisch wahrnimmt!


„Ich bin keine Bombe, ich bin nur eine Frau!“

Als Begründung, warum man nicht in unbekannte Gewässer springen sollte.

 

„Viele Leute in Amerika sind so dick: Da stehst du auf der Straße, und auf einmal…oh, Elefant kommen!“

Eine humorvolle, überspitzt formulierte Kritik am ungesunden Lebensstil vieler US-Bürger. Die Person, von der die Aussage stammt, ist nicht deutscher Muttersprache und wusste nicht, dass es „Elefant kommt!“ heißen müsste. Aber jeder weiß, was gemein ist und man erkennt unschwer, dass diese Person sehr unterhaltsam ist.

 

„Österreicher mit türkischem Gewürz“

Wenn deutsch eine Fremdsprache ist, kann es schon mal vorkommen, dass man Wurzeln und Gewürz verwechselt. Aus Österreichern mit türkischen Wurzeln werden dann plötzlich „Österreicher mit türkischem Gewürz“.

 

„Wo isch andere?“

Vor neun Jahren hatten wir gerade eine neue Putzfrau. Als sie das zweite Mal kam, war Montag. Aufgrund einer Erkältung war ich zu Hause. Dass ich zu Hause war, überraschte sie offenbar nicht. Stattdessen wunderte sie sich, dass mein Bruder nicht hier war. „Wo isch andere?“, fragte sie meine Mutter, die an diesem Tag mit mir zu Hause bleiben konnte. „In der Schule. Normalerweise sind beide in der Schule, aber Paul ist heute krank!“, musste unsere Mutter ihr erklären. Es kam mir vor, als würde die neue Putzfrau davon ausgehen, dass man mit Rollstuhl nicht in die Schule gehen könne.

 

Ratespiel unter erschwerten Bedingungen

Menschen nicht deutscher Muttersprache zu einem Ratespiel aufzufordern, kann sich als unerwartet schwierig herausstellen. Das musste einer unserer Assistenten erfahren, als er die Intensivpflegerin meines Bruders herausforderte, eine bestimmte Person zu erraten. Da sie nicht sonderlich interessiert wirkte, bat er sie ausdrücklich: „Rate!“ Daraufhin fragte sie verwirrt: „Wer ist Rate?“

 

„Briffung“

Als mein Bruder vor einem halben Jahr eine Prüfung für sein Studium hatte, sagte seine Pflegerin mehrmals aufgeregt: „Oh, er hat Briffung!“ Für die „Briffung“ kam extra eine unserer früheren Assistentinnen zu uns, um meinen Bruder bei Handgriffen zu unterstützen, die währenddessen anfielen. Eine andere Person, die wenige Tage zuvor mitbekam, dass mein Bruder während der Prüfung von dieser Assistentin begleitet werde, verstand das Ganze etwas falsch: „Ah, so nett! Isch sie extra bei dir, damit du keine Angst hasch?“ Dass mein Bruder und ich eher körperliche als emotionale Unterstützung brauchen, kann ja jeder mal vergessen!

 

„NICHT FEIN für mich!“

In den ersten Jahren durfte/konnte mein Bruder die Prüfungen für sein Fernstudium noch nicht zu Hause vom Computer aus schreiben. Er musste dazu zum Prüfungszentrum. Zum Glück gibt es eines in unserer Stadt, sodass sein Weg nicht weit war. Er fuhr meist in seinem Rollstuhl hin und wurde von einer Assistenzperson begleitet, die zu Fuß neben ihm herlief. Oder auch hinter ihm, denn in der Fußgängerzone fuhr er auch gerne mal schneller, sodass die Begleitpersonen nicht immer durchgehend Schritt halten konnten. Während ein Assistent damit locker umging und Sprüche klopfte, wie: „I weiß genau was du denksch: Du willsch die alle zammfahr’n!“, fühlte sich eine andere Assistentin gar nicht wohl damit. „Wenn er so schnell fährt und dann so weit von mir entfernt ist…das ist NICHT FEIN für mich!“, erklärte sie unserer Mutter ihr Leid. Irgendwo konnte man sie vielleicht auch verstehen: Als seine Assistentin wollte sie sichergehen, dass alles gut ging. Sie hatte möglicherweise Angst, mein Bruder könnte genau dann Hilfe brauchen, wenn sie weiter entfernt wäre. Ich glaube zwar, dass er schon wusste, was er tat, aber sie fand diese Situationen eben einfach „nicht fein“. 

 

„Waaas, am MONTAG?!?“

Eine Assistenzperson bot unserer Mutter an, aushilfsweise manchmal am Montag kommen zu können, wenn Bedarf bestünde. Als unsere Mutter etwa eine Woche später vorsichtig nachfragen wollte, ob wir dieses Angebot für den nächsten Montag in Anspruch nehmen könnten, passierte etwas Unerwartetes. Aus allen Wolken fallend antwortete unsere Assistentin: „Waaas, am MONTAG?!? Da kann ich aber NICHT!!! Da hab ich Termine!!!“ Egal, ob sie das Gespräch aus der Vorwoche bereits vergessen hatte, oder ob es ihr an diesem Montag einfach überhaupt nicht passte: Niemand zwang sie, niemand setzte sie unter Druck. Es wunderte uns also etwas, dass sie so gestresst reagierte. Ein normales „Nein“ hätten wir genauso akzeptiert.

 

„Isch privat!“

Vor längerer Zeit war öfters eine Assistentin bei uns, die sich hin und wieder Selbstgesprächen hingab. Wahrscheinlich machte sie das deshalb, weil mein Bruder und ich nicht viel redeten. Wenn wir schon nicht (genug) mit ihr redeten, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ab und an mit sich selbst zu sprechen. Eines Tages fing sie an: „Im Moment träum i oft so komisches Züg…“ Anders als die meisten ihrer Selbstgespräche fand ich dieses Thema einigermaßen interessant und tat etwas Undenkbares: „Was denn für Zeug?“, fragte ich neugierig. Sie hatte offensichtlich überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich auf ihr Gespräch einsteigen würde. Da sie dann bemerkte, dass sie über dieses Thema eigentlich nicht mit mir sprechen wollte, lautete ihre Antwort: „Des isch privat…“

 

„Aus die Maus!“

Dieselbe Assistentin hatte für viele Situationen ihre Standardsprüche, die sie häufig zwanghaft loswerden musste. Wenn diese Sprüche kleine „Fehler“ enthielten, regte mich das innerlich auf. Die Sprüche selbst waren nicht direkt fasch, aber bei manchen hatte ich das Gefühl, dass sie inhaltlich nicht auf die Situation zutrafen. Immer, wenn ich auf meinem Handy spielte und sie es für mich anschließend wieder ans Ladekabel steckte, sagte sie: „Aus die Maus!“ Damit meinte sie, dass der Akku komplett leer sei. Doch das stimmte nicht. Ich ließ den Akku nie komplett leer werden. Der Grund, warum sie das dachte: Vor dem Aufladen schaltete ich mein Handy immer aus. Wenn man es in diesem Zustand ansteckte, erschien auf dem Bildschirm ein Batteriesymbol, das wie eine leere Batterie mit einem Ladezeichen aussah. Das interpretierte sie als „Akku leer“ und konnte gar nicht anders, als „Aus die Maus!“ zu sagen. Allerdings wusste sie nicht, dass das Batteriesymbol immer einige Sekunden brauchte, bis ein grüner Balken erschien, der den tatsächlichen Akkustand anzeigte. Leider schaute sie nie lange genug auf mein Handy, um das zu sehen. Woche für Woche hörte ich „Aus die Maus!“ und Woche für Woche machte es mich innerlich verrückt.


Ich wollte nie etwas dazu sagen, denn es waren ja nur drei unbedeutende Worte. Wenn ich meiner Familie von diesem „Ärgernis“ erzählte, meinten sie, dass sich „Aus die Maus!“ vielleicht gar nicht auf den Akkustand beziehe. Das regte mich nur noch mehr auf, denn ich wusste genau, was sie mit dem Spruch meinte.


Diese Geschichte sagt wohl mehr über mich aus als über irgendjemand anderen: Manchmal kann ich mich über die banalsten Dinge tierisch aufregen! Ich würde aber auch sagen, dass ich mich diesbezüglich mittlerweile gebessert habe. Wenn man mit Leuten wie „Mafia-Dracula“, „Klothilde“, „Mandy“ oder „Esmeralda“ zu tun gehabt hat, lernt man, was wirklich schlimm ist! Dass ich mich über „Aus die Maus!“ ärgerte, zeigt nur, dass es an dieser Person sonst kaum etwas zu beanstanden gab.

 

Autoverkauf

Drei Jahre lang fuhr meinen Bruder und mich eine Frau in die Schule, die scheinbar ein Faible dafür hatte, Autos zu verkaufen. In den drei Jahren fuhren wir bei ihr in drei verschiedenen Autos mit. Zwei davon verkaufte sie. Am liebsten wäre ihr natürlich gewesen, besonders wertvolle Autos weiterverkaufen zu können. Als sie auf der Straße einen Jaguar erblickte, verkündete sie: „Wenn i an Jaguar hätt, würd i ihn sofort vakofa!“ Die Frage ist nur, wie sie denn überhaupt in den Besitz eines Jaguars kommen würde. Vielleicht meinte sie den Fall, dass sie einen gewinnen sollte. Auf jeden Fall zeigte diese Aussage ihr Mindset: Autos sind zum Verkaufen da.

 

Familienwissenschaften

Eine ältere Dame, die manchmal zu mir kann, wenn ich zum Beispiel krankheitsbedingt von der Schule zu Hause blieb, wollte eines Tages einfach nicht verstehen, wie es möglich sein soll, dass keine meiner Tanten oder Onkel in Vorarlberg leben, obwohl meine Mutter mit ihrem Bruder dort aufgewachsen ist. Sie glaubte mir nicht so recht: „…Aber deine Mama ist hier geboren und aufgewachsen? Dann muss doch dein Onkel auch hier sein!“ Dass es durchaus möglich sein kann, als Mann in ein anderes Bundesland zu ziehen, um mit seiner Frau dort zu leben, oder, dass Menschen generell in Laufe ihres Lebens umziehen können und nicht für immer in ihrem Geburtsort festbetoniert sein müssen, kam ihr nicht in den Sinn. Stattdessen zweifelte sie mein Wissen über meine eigene Familie an. Ich war damals etwa 15. Was weiß denn schon ein Fünfzehnjähriger?

 

Kamera in die Vergangenheit

Als ich auf meinem Computer über zehn Jahre alte Fotos anschaute, stieß ich auf ein Bild meines damals mit Playmobil vollgestellten Zimmers.

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Eine Pflegerin meines Bruders, die gerade bei meinem Computer vorbeiging, bemerkte, dass es sich um ein Foto meines Zimmers handelte. Im Bruchteil einer Sekunde fiel ihr die einzig logische Erklärung ein: „Hast du eine Kamera in deinem Zimmer?“ Sie musste wohl vergessen haben, dass Fotos gespeichert und später angesehen werden können. Stattdessen vermutete sie, es handle sich um eine Live-Aufnahme. Aber wie erklärte sie sich dann, dass mein Zimmer voller Playmobil war und ein anderes Bett darinstand! Es gibt auch eine andere Möglichkeit, ihre Aussage zu interpretieren: Vielleicht wusste sie, dass es ein altes Foto war, hatte allerdings vergessen, dass Fotoapparate mobil sind und nicht permanent an der Wand verbaut sein müssen.

 

„Mach lieber du…“

Wenn eine Pflegerin so etwas zu den Eltern des Patienten sagt, klingt das nach verkehrter Welt. Leider haben wir so etwas schon erlebt. Eigentlich hatten unsere Eltern diese Pflegerin angestellt, damit sie sich mehrmals pro Woche nachts um meinen Bruder und mich kümmern konnte. Unsere Eltern brauchten diese Entlastung, denn bis dahin waren es immer sie gewesen, die in der Nacht aufstanden, wenn wir etwas brauchten. Diese und auch alle anderen Kernaufgaben erfüllte die Pflegerin zwar, allerdings war da eine Tätigkeit, die sie nicht machte. Es handelte sich um etwas, das noch nicht notwendig gewesen war, als sie bei uns angefangen hatte. Außerdem war es nicht gerade die angenehmste Angelegenheit, aber dennoch etwas, das zum Pflegeberuf dazugehört. Sie dachte sich wohl: „Davon war keine Rede, als ich angefangen habe, also tu ich es jetzt auch nicht.“ Nur, wenn beide Eltern weg waren, was fast nie vorkam, machte sie es, denn dann gab es niemanden, zu dem sie sagen konnte: „Mach lieber du…“

 

„Kein Wunder, dass ich jede Woche zum Chiropraktiker muss!“

Diese Aussage klang so, als wäre ich schuld an den körperlichen Problemen meiner Assistentin. Ernst gemeint oder nicht: Dem Klienten so etwas zu sagen, ist absolut unprofessionell und unter keinen Umständen angebracht. Sie hatte gerade die letzten Arbeitstage bei uns und meinte wohl, sich deswegen nicht mehr professionell verhalten zu müssen und munter ihre Missgunst auf mich abladen zu können. Wenn einem ein bestimmter Handgriff Probleme bereitet, kann man mit mir konstruktiv darüber reden, sodass wir eine Lösung finden können. Wenn man ohnehin nur noch eine Woche hier ist und kein Interesse mehr am konstruktiven Diskurs hat, muss man eben noch die paar Male durchbeißen und kann die Klappe halten, wenn man nur noch beleidigende Sprüche auf Lager hat.

 

„Eins, zwei, drei…und…BOXKAMPF!!!“ 

So motiviere sich eine Assistentin, bevor sie mich an den Schultern hochzog. Sie war noch nicht sattelfest bei diesem Handgriff, den ich im Laufe des Tages immer wieder brauche, und konnte nicht nur sich auf diese Weise Mut machen, sondern gleichzeitig auch zu meinem Amüsement beitragen.

 

„Wie hoasch du?“ 

Nachdem mich ein Kind vor 15 Jahren im Pausenhof der Volksschule umgerannt hatte, fiel ihm auf, dass es meinen Namen noch nicht kannte. Statt sich also zu entschuldigen – was von Volksschulkindern vielleicht zu viel erwartet wäre – fragte es nur: Wie hoasch du? 


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