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Sprachkurs: „Assistentisch“ und „Pflegerisch“ lernen

  • Autorenbild: Paul Wechselberger
    Paul Wechselberger
  • 14. Feb.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Juli

Unsere Assistenten und Pfleger haben teilweise ihre ganz individuellen Bezeichnungen für Tätigkeiten, Gegenstände oder sonstiges. Sie entstehen durch Versprecher, Bildungslücken, unpräzise Ausdrucksweisen, oder, weil sich jemand besonders gepflegt ausdrücken will und dadurch erst recht eigenartige Wörter kreiert. Manchmal liegt es auch an Dialekten oder im Fall vieler Pfleger, die bei uns sind und waren, daran, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Ich möchte mich weniger über die Leute lustig machen, sondern einfach nur zeigen, was ich bereits alles gehört habe. Bei einigen Begriffen werde ich zum besseren Verständnis den Kontext beschreiben, in dem Sie gefallen sind:


Von Personen mit deutscher Muttersprache:


Magst du die Karpaten?  =  Magst du Kapern?


Beim Schöpfen der Soße fragte mich der Assistent, ob ich die Karpaten möge. Für wenige Sekunden musste ich überlegen: Er wird wohl nicht das Gebirge meinen, denn sonst fragt er mich ja auch nicht aus heiterem Himmel, was ich von irgendwelchen Bergen halte. Doch dann fiel mir ein, dass die Soße Kapern enthielt.


 

Kavasit/Kaffk-Assist/

Das mit dem Atmen/  = Cough-Assist (Hustenunterstützungsgerät)

Einatmen 

  

Wir verwenden den Cough-Assist seit achteinhalb Jahren. Da wir in dieser Zeit viele verschiedene Assistenten hatten, die meist nicht medizinisch vorgebildet waren und das Gerät nur von uns kannten, ist es nicht verwunderlich, dass ich dafür bereits mehrere interessante Bezeichnungen gehört habe.


 

Schwarzwälder Sacherkuchen  =  Schokoladenkuchen

 


Maggsd an Dooost?       =  Möchtest du einen Toast haben?


 

Gao-Gau/Kack-au           =  Kakao

 


g’füllte Täschle  =  Tortellini/Ravioli



Hebebühne  =  Patientenlift

 


den Flügel klappen  =  das Fenster kippen

 


festbinden  =  anschnallen

 


die JOgging/der Jogger  =  die Jogginghose

 


Wagen/Roboter/Robot-Stuhl/Elektrischer Stuhl       =  Elektrorollstuhl


Wagen haben schon mehrere Leute gesagt. Die anderen drei Begriffe stammen von einer einzigen Person, die damals recht neu bei uns war und vielleicht noch nicht genau wusste, welches Wort wir bevorzugen. Rollstuhl war ihr wahrscheinlich zu einfach, da unsere Geräte so viele Funktionen haben und sehr komplex wirken. Wenn dabei aber „Elektrischer Stuhl“ herauskommt, sollte man vielleicht doch besser bei Rollstuhl bleiben. Immerhin rutschte ihr „Elektrischer Stuhl“ nur einmal raus, wobei sie allerdings nicht direkt zu realisieren schien, was sie da eigentlich gerade gesagt hatte. Auch wenn sie sich anfangs nicht ganz sicher mit der Bezeichnung war, zeigte sich schnell, dass sie sich durch ihr handwerkliches Talent gut um die Rollstühle kümmern konnte. Nach Bedarf pumpte sie die Räder auf oder schmierte quietschende Gelenke. Einmal passierte ihr dabei ein sprachliches Missgeschick, denn sie bezeichnete das Schmieröl als „Gleitgel“. Diese etwas ungünstige Wortwahl fiel ihr aber nicht auf und auch ich tat so, als wäre alles normal.


 

Schale/Väsle  =  Urinflasche

 


Ich hob a selbschtgmachtes Dings gmacht.  =  Ich habe eine Soße mit frischen Tomaten gekocht.


Theoretisch könnte man mit diesem Spruch alles Mögliche sagen, aber im beschriebenen Fall handelte es sich um eine selbstgemachte Tomatensoße. Wenn einem ein beliebiges Wort nicht einfällt, kann man es stets durch „Ding“ oder „Dings“ ersetzen.

 


Bürozimmer  =  Büro/Arbeitszimmer

 


Betreuungszimmer  =  Zimmer, in dem sich eine Pflegeperson zurückziehen kann


Die Pflegerin, die über Nacht bei uns ist, kann, wenn wir gerade nichts von ihr brauchen, in einem Zimmer schlafen, welches ursprünglich das Gästezimmer war. Eine Assistentin nannte es einmal das „Betreuungszimmer“. Meiner Meinung nach enthält diese Bezeichnung zwei Fehler: In diesem Zimmer schlafen keine Betreuer, sondern Pfleger und wenn es Betreuer wären, müsste man BETREUER-Zimmer sagen, da sich ja nur die Betreuer selbst darin aufhalten. Der Name Betreuungszimmer würde hingegen implizieren, dass die Betreuung der Patienten darin stattfindet.

 

Ähnlich originell war ihre Bezeichnung für die „zweite“ Küche bei uns zu Hause, in der nicht gekocht wird und die wir nur haben, weil es ursprünglich zwei getrennte Wohnungen waren. Als die Assistentin einmal sah, dass eine Kollegin ihr Buch bei uns vergessen hatte, diktierte sie in ihr Handy eine Nachricht, um sie der Kollegin zu schicken. „Ich habe dein Buch auf die Anrichte von der Küche 2 gelegt.“, lautete ein Teil der Nachricht, der so selbstverständlich aus ihrem Mund kam, als wäre „ Küche 2“ als hochoffizieller „Titel“ dieser Räumlichkeit urkundlich bindend.

 


sie sind weniger-essig  =  sie essen eher wenig

 


um Sauerstoffsättigungserhöhung zu erziehen =  um die Sauerstoffsättigung zu erhöhen


Vor einigen Jahren benutzte mein Bruder ein paar Monate lang untertags teilweise einen Sauerstoffkonzentrator zur Atemunterstützung. Ein neuer Assistent, der zum ersten Mal hier war, wurde von einer erfahreneren Assistentin über die Funktion dieses Konzentrators aufgeklärt: „Das ist ein Gerät, um Sauerstoffsättigungserhöhung zu erziehen.“ Eine andere neue Person, die mitbekam, wie man bei meinem Bruder den Sauerstoff am Finger mit einem Pulsoximeter ermittelte, fragte daraufhin, ob der Sauerstoff denn etwa in den ganzen Körper gehe.

 

Von Personen mit NICHT deutscher Muttersprache:


Kabel    =  Gabel

Wenn die Pflegerin in die Küche geht, um „eine Kabel“ zu holen…


 

Tablette  =  Tablet (z. B. I-Pad)

 


Tasche Geld =  Geldtasche       

 


Schiffboot  =  Schiff oder Boot

 


trallala  =  durcheinander/verwirrt


 

IST!        =  Ich habe es schon gemacht!

 


Obben?       =  Nach oben?

 


Kann sein?  =  Passt das so?

 


Ah, fescht zum Turnen!   =  Ah, fleißig am Sporteln!


Das kommentierte eine Pflegerin, als sie meinen Vater auf dem Home-Trainer sitzen und ordentlich in die Pedale treten sah.

 


Jetzt wir sind geschafft!      =      Jetzt haben wir’s geschafft!


Nachdem mir eine recht neue Pflegerin zum ersten oder zweiten Mal beim kleinen Toilettengang geholfen hatte, der bei mir in meinem Rollstuhl recht kompliziert und sehr individuell ist, meinte sie erleichtert: „So, jetzt wir sind geschafft!“ Am Tonfall war klar zu erkennen, dass sie „Wir haben es geschafft“ meinte, aber weil sowohl ich als auch sie nach der Prozedur, die nicht ganz reibungslos verlaufen war, tatsächlich etwas geschafft waren, passte ihr Versprecher perfekt zur Situation.

 


Schunne Tag!    =  Einen schönen Tag noch!

 


Bis letschte Mal!  =  Bis zum nächsten Mal!


Das sagte jemand bei der Verabschiedung zu mir. Sie hatte die Wörter „nächstes“ und „letztes“ vertauscht. Lustigerweise war sie nur ein einziges Mal bei uns, also machte „letschte Mal“ wohl doch irgendwie Sinn, da es bis heute in der Tat unsere letzte Begegnung war.



So, jetzt ihr seid aber geschafft! Ihr wart fescht zum Lernen und habt euch nun eine Pause verdient. Tschüss, schunne Tag! Und bis letsche Mal!




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Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben wir besonders mit Assistenten von der Organisation „Lebenshilfe“ sehr spezielle Erfahrungen gemacht.

 
 
 

2 Kommentare

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Gast
14. Feb.
Mit 5 von 5 Sternen bewertet.

sehr amüsant!

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Gast
14. Feb.

Aahhh, erwischt. Homer macht es wieder gut,

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